05.01.2009

Warum und wozu wir spielen

Wikipedia definiert spielen mehrdeutig. Im Hauptbeitrag steht:

Das Spiel (v. althochdt.: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt wird. Es ist eine Beschäftigung, die um der in ihr selbst liegenden Zerstreuung, Erheiterung oder Anregung willen und oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird. Ein Großteil der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung von motorischen Fähigkeiten findet durch Spielen statt, beim Menschen ebenso wie bei zahlreichen Tierarten. Einem Spiel liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde, aus denen, besonders in Gemeinschaft, dann Regeln hervorgehen können. Die konkreten Handlungsabläufe können sich sowohl aus der Art des Spiels selbst, den Spielregeln (Völkerball, Mensch ärgere dich nicht) oder aber aus der Tatsache, ergeben, dass unterschiedliche Individuen miteinander interagieren wollen (Bau einer Sandburg).

Und weiter:

Im Umkehrschluss sind Tätigkeiten eines Menschen oder eines Tieres kein Spiel sondern ernst, wenn sie erzwungen oder zweckgebunden sind, das heißt unmittelbar der Existenzsicherung, Pflichterfüllung, Notdurft, Suchtbefriedigung, Schadensabwendung oder Schmerzvermeidung dienen. Es gibt aber auch einen (notwendigen) „heiligen Ernst“ des Spieles, das Spiel hat also auch religiöse Züge.

Im Spiel drücken sich also viele Facetten menschlichen Empfindens und Handelns aus. Spiel ist zum einen eine Vorbereitung auf das Nicht-Spiel des Lebens ("Ernst des Lebens"), zum anderen ist es eine Alternative zum "Ernst des Lebens", die ebenfalls alles enthalten kann, aber nicht "ernst" ist. Wie wohl auch das Spiel eine "Ernstfunktion" hat und somit als Ersatz für den Ernstfall gelten kann (Wettspiele, Gladiatorspiele, Ritterspiele, Brot und Spiele, Fußballweltmeisterschaften, Olympische Spiele, Kriegsspiele ...). Dadurch dass es als "Spiel" gespielt wird (und es nicht zum der Ernstfall kommt), können die Akteure und Veranstalter einen gewissen Abstand zum "Ernstfall" wahren, sich aber trotzdem "austoben". Anmerkung: Die Grenzen zwischen Spiel und Ernst sind nicht immer für alle gleich und ändern sich. Und es gibt Spiele die sehr ernst sind und Menschen, die sich damit beschäftigen und ihre Lebensunterhalt damit bestreiten (Animateure, Gamemaster, Schiedsrichter, Sportmoderatoren, professionelle Sportler, Sporthallenbesitzer ...)

Also ist das Spiel "Vorbereitungshandeln" aus pädagogischer Sicht, "Ersatzhandlung" aus sozialer und politischer Sicht und "zwecklose Handlung" aus psychologischer, sozialer vielleicht auch medizinischer Sicht.

Die Frage bleibt noch aus: Wozu gibt es das Spiel aus philosophischer Sicht? Antwort: Weil der Mensch (und ich zähle mal alle Lebewesen, die ähnlich funktionieren dazu) ein "spielendes" Wesen (homo ludens) ist, dessen Daseins-Zweck das Spielen ist? Da beißt sich aber ein wenig die Katze in den Schwanz: Weil diese Ansicht ja die "Zweckfreiheit" des Spiel aushebelt. Oder anders gefragt, wieso bezwecken Menschen etwas, das keinen Zweck hat? Oder ist doch alles nur eine Ersatzhandlung im Spiel?

Befriedigen wir durch das Spiel "Bedürfnisse"? Und wenn ja, welche? Oder gibt man nur vor (auch in der Analyse des Begriffs), dass es ein "zweckfreies" Spiel gibt? Oder dient doch alles nur dem sozialen Rollenspiel (und damit einem verdeckten Machtkampf)? Oder ist "Spielen" wie auch die gesamte Schöngeisterei eine medizinische (psycho-hygienische oder sonstwie zu formulierende) Angelegenheit, ähnlich wie das "Schlafen und Träumen"; Zeiten in der unser Körper bzw. Gehirn (Geist) eine Pause vom alltäglichen Ernst macht?

Ist Twittern nun ein Spiel oder schon der Ernstfall?

PS. Und es gibt auch Spiele, die eigentlich tatsächlich ernst und auch ernst gemeint sind, sich aber Spiel nennen ("@$#%&-Spiel"). Der Begriff hat es schon in sich.

2 Kommentare:

  1. Hallo :),

    Twitter ist wie vieles im Web, meiner Meinung nach, ein Grenzgänger, d.h. Grenzen werden verwischt, Privat und Arbeit, Öffentlichkeit und Privatheit, Spiel und Ernst, real und virtuell ...

    Vielleicht ist das Spiel eine Art "Vorgänger", wenn man das Spiel aus der Perspektive betrachtet, dass in einem relativ geschützten Raum (abseits realer Alltagssituation (ausgenommen Berufe im Spiel)) Handlungen erprobt werden können. Vielleicht ist das eine mögliche Antwort auf Deinen Absatz: "Die Frage bleibt noch aus: Wozu gibt es das Spiel aus philosophischer Sicht? Antwort: Weil der Mensch (und ich zähle mal alle Lebewesen, die ähnlich funktionieren dazu) ein "spielendes" Wesen (homo ludens) ist? Da beißt sich aber ein wenig die Katze in den Schwanz: Weil diese Ansicht ja die "Zweckfreiheit" des Spiel aushebelt. Oder anders gefragt, wieso unternehmen Menschen etwas, das keinen Zweck hat oder ist doch alles nur eine Ersatzhandlung im Spiel?"

    LG
    Jana

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  2. Liebe Jana,

    "Online-Spiele sind Spiele, sie verfolgen keine realen Zwecke, dienen der Unterhaltung und sind einfach ein netter Zeitvertreib." Liest sich schön, stimmt nur nicht: die Chinesen im Spiel, die Verbissenheit bis zur Selbstaufgabe und Sucht der Spieler und die zum Teil Jahre (24Stunden x 365 Tage ingame) im Spiel verbringen, sprechen eine andere Sprache. Spiel wird zum 'ernsten' Lebensinhalt.

    Twitter enthält Elemente des Spiels. Aber macht es Sinn, dass das Publikum (100.000sende Twitterfriends) ihre Zeit nur zum Zeitvertreib vertwittern? Oder erfüllt Twitter eine nicht-zweckfreie Funktion unseres Kommunikationsbedarfs? Dann wäre es kein Spiel mehr und spielen mit Twitter würde nur die Zeit der anderen stehlen, wenn wir es zum Spielen benutzten. Brauchen wir einen Spiel-Spam-Filter in Twitter?

    cya
    Itari

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