30.12.2008

Reale Suchtgefahr fürs virtuelle Ich

Unter diesem Titel gibts einen Beitrag bei Heise *guck* . Der Beitrag ist nicht wirklich so spannend, aber die Kommentare haben es in sich. Das wollte ich nun doch niemanden vorenthalten.

28.12.2008

Über die Liebe

Die LIEBE geht durch den Magen. Ja, unser zweites Gehirn hat da eine Menge mitzureden: das Kribbeln, wenn man vor lauter Sehnsucht vergeht, gehört dazu. Auch der Sex spielt eine große Rolle, ohne ihn geht Liebe nicht. Sex, das sind immer erstmal die Hormone, die einen anders fühlen und denken lassen. Und eben auch der Kopf. Wie sagte mir ingame mal ein netter Typ: "Sex - der findet immer erst im Kopf statt." Und er hat Recht.

Ohne Vertrauen keine LIEBE. Ohne Hingabe keine LIEBE. Liebe gibt Sicherheit, ohne das sie sicher ist. Liebe ist schön, wenn sie auch romantisch ist. Liebe kann sehr weh tun, wenn sie verletzt oder enttäuscht wird. Liebe heißt auch Verantwortung für den Anderen/die Andere übernehmen. Liebe entscheidet über Leben und Tod. Liebe macht blind, naja sie verschleiert einiges, was sonst nicht so toll wäre. Ohne Liebe gäbe es uns nicht wirklich. Jeder auf der Welt kennt das Gefühl der Liebe oder ahnt zumindest, was es bedeuten könnte. Wenn man die große Liebe findet, dann kann man sehr glücklich sein - auch wenn sie nur einen Augenblick lang dauert. Ohne Liebe geht man zugrunde. Die Liebe ist das höchste Glück auf Erden, was einem Menschen widerfahren kann. Nichts bewegt die Menschen so sehr wie die Liebe. Liebe kann man sich nicht erkaufen, höchstens mieten für eine Weile.

Es gibt viele Arten zu lieben: Gattenliebe, Elternliebe, Kinderliebe, Geschwisterliebe, Freundinnenliebe ... blinde Liebe, heimliche Liebe, verbotene Liebe, unmoralische Liebe, tödliche Liebe.

Die Seele spiegelt sich in den Augen der Liebenden. Sie können Dinge darin lesen, die allen anderen verborgen bleiben. Beim Liebesakt erfährt man ein Stück vom Anderen, welches sonst im verborgenen bleibt. (Auch wenn man nur Zuschauer ist.) Ja - und man kann Liebe vortäuschen.

Wahre Geschichten, die auch etwas mit Liebe tun zu haben:

Sie war schon 80 Jahre und wohnte in einem großen Haus mitten in der Stadt. Sie war eine Künstlerin und hatte lange Jahre ein Professur an der Kunsthochschule. Ihre Zimmer waren voll von ihren Gemälden. Ja - sie konnte immer noch malen auch wenn die Pinselstriche schon sehr zitterig waren. Sie liebte die Gesellschaft, deswegen war ihre Tür auch offen für neue Gäste. - Sie kochte einen schrecklichen Kaffee, aber sie mochte Besuch. Am Abend ging es in eine Kneipe an der Ecke. Sie machte sich zurecht: Dunkelroter Lippenstift und ein wenig Rouge auf den Wangen. Ein weites Kleid und eine Stola. Im Laufe des Abends erzählte sie viele Geschichten. Längst war Mitternacht vorbei und ihre Augen glänzten. Sie amüsierte sich köstlich und niemand hätte ihr Alter noch schätzen können. Sie wirkte 20, nein 30 Jahre jünger. Ihr kleiner Körper war gerade und sie war aufgedreht von den vielen Komplimenten. Sie umarmte und küsste jeden. Kein Zweifel, diese Frau war von der Leidenschaft durchdrungen.

Drei Monate zu früh auf die Welt kommen, ist ein Risiko. Der Professor und der Chefarzt hatten etwas Kleines, Blutiges in der Hand. Das sollte ein Baby sein? Er durfte dabei sein und wurde gefragt: "Soll es leben?" Er nickte und es überlebte.

Sie war 13, er 15. Sie gingen nun seit 10 Tagen zusammen. Er war schon ein toller Typ: groß und breitschultrig. Wann immer man sie sah, hielten sie sich bei der Hand oder küssten sich. Der Diakon hatte viel Vertrauen in seine Jugendlichen und ließ es gewähren. Am Bergfestabend kam sie total aufgelöst ins Zelt und heulte. "Was ist den los?" wurde sie gefragt. "Ich weiß nicht was ich machen soll. Er hat mir vorhin gesagt, dass es doch langsam an der Zeit wäre, sich Kondome zu besorgen. Er liebt mich nicht." - "Wieso?" sagte eine 12jährige, "das ist doch völlig normal."

Sie hatten sich im Spiel kennengelernt. Heute trafen sie sich. Die Fantasien waren bereits fest im Kopf. Erste Berührungen, ganz vorsichtig an der Hand, der erste flüchtige Kuss. Natürlich sah er anders aus, und sie sicherlich auch für ihn. Nur ein Foto hatten sie per Mail getauscht. Er fasste ihren Unterarm an und sie konnte es nicht verhindern: sie schüttelte sich, so wohlig war das Gefühl. Er schaute ihr in die Augen und las die Sehnsüchte, die er schon im Chat gelesen hatte. Es war wahr: Eine Stunde lang gehörten sie sich, dann würden sie sich nie mehr sehen. Eine unvergessene Stunde.

Die Sonne kitzelte. Sie lag neben ihm. Seit vielen Jahren sind sie schon ein Paar. Sie werden zusammen alt. Wenn er sie anschaut, dann sieht er Geschichten, in denen sie beide vorkommen. Alte Geschichten. Wenn sie ihre Augen dann aufschlägt, sehen sie ihre grenzenlose Liebe zueinander. Er wird dann immer melancholisch. Sie bläst ihm die Gedanken fort und grinst frech und denkt, warum kann er den Moment nicht einfach genießen. Sie lächeln sich an. Liebe macht Trunken vor Glück. Traumfrau und Märchenprinz.

26.12.2008

Liuvar Alveredar

"Und jetzt?", fragte Luc.
"Jetzt wirst du etwas trockenes Holz suchen, und wir sehen uns nach einer windgeschützten Stelle um, um dort ein Lager aufzuschlagen. Man muss auf der Lichtung übernachten." Yulivee senkte ihre Stimme, als Myrielle zu ihnen zurückkehrte. "Vielleicht wird dann ... etwas geschehen. Auf jeden Fall aber hast du der Kleinen ihr Lachen zurückgegeben und ihr eine wunderbare Schneeballschlacht geschenkt. Ich finde, allein das war unsere Reise wert."
Er ging zum Rand der Lichtung und tastete im Dunkel nach dürren Ästen. Er schrammte sich die Hände an gesplittertem Holz auf, strauchelte und stieß sich einmal den Kopf an einem Eichenstamm. Dann kam Myrielle. Sie trug einen Stein, wie er ihn auch einmal gefunden hatte. Er leuchtete von innen heraus. Luc dachte an die Heidengöttin im Rosengarten in den Ruinen. An die Göttin, die er enthauptet hatte. Das Herz wurde ihm schwer.
Myrielle sagte etwas. Sie leuchtete in sein Antlitz. Das Licht des Steins schmerzte nicht in seinen Augen.
Myrielle wiederholte ihre Worte, doch er konnte sie nicht verstehen. Er kniete sich vor ihr in den Schnee. "Yulivee wird mir gleich übersetzen, was du sagst."
Das Mädchen versuchte es noch einmal. Endlich zuckte sie mit den Schultern. Der leere Ärmel pendelte dabei hin und her.
Luc presste die Lippen zusammen. Hoffentlich irrte sich Ollowein. Er würde alles darum geben, wenn die Kleine in dieser Nacht ihr Wunder bekam.
"Liuvar Alveredar", sagte sie feierlich und gab ihm einen scheuen Kuss auf die Wange. Dann klemmte sie sich so viel Reisig, wie sie nur tragen konnte, unter den Arm und kehrte zum Lager zurück.
Der junge Ritter legte sein Holz bei der Feuerstelle nieder. Myrielle blies mit Begeisterung auf die Glutfunken, die Yulivee in ein Bett aus Zunder geschlagen hatte.
Er ging hinüber zu Ollowein, der die Pferde versorgte.
"Was heißt Liuvar Alveredar?"
"Wie kommst du darauf? Wer hat das zu dir gesagt?"
"Sag mir einfach, was es heißt."
"Liuvar Alveredar ist eine alte Grußformel. Man begrüßt sich unter Blutsverwandten so. Oder unter sehr engen Freunden. Man sagt das nicht oft, weißt du. In deiner Sprache würde es ungefähr heißen: Frieden für den Freund."

...

Er erhob sich und wollte zu ihr gehen, doch er hatte das Gefühl, von einer körperlosen Macht zurückgedrängt zu werden. Etwas war dort draußen ... Vielleicht kam es aus dem Licht oder auch aus dem uralten Monolithen.
Silbernes Licht umspielte Myrielle. Und plötzlich war sie verschwunden. Im selben Augenblick war auch der Bann gebrochen. Luc lief auf die Lichtung hinaus und rief den Namen des Mädchens. Er erhielt keine Antwort.
Er folgte ihrer Spur im Schnee bis zu der Stelle, wo sie verschwunden war. "Was ist das für eine Magie? Was ist mit ihr geschehen?"
Das grünsilberne Licht zog sich tiefer in die Wälder zurück. Hatte es Myrielle geholt? Luc sprang auf und wollte zum Rand der Lichtung laufen, als Ollowain ihm den Weg vertrat.
"Sie ist ins Mondlicht gegangen. Du wirst sie nicht mehr finden. Ihr Schicksal hat sich vollendet."
"Was soll das heißen? Du redest ja, als sei sie tot!"
"Du musst nicht um sie trauern, Luc. Wir Elfen sterben und werden wiedergeboren. Dieser Kreis endet erst, wenn wir unsere Erfüllung finden. Dann gehen wir ins Mondlicht. Es geschieht sehr selten, dass man Zeuge eines solchen Ereignisses wird."
"Aber sie lebt noch?"
"Das kann man nicht sagen. Wahrscheinlich nicht in der Art, wie wir es kennen."
Luc verstand nicht, wie der Elfenritter das meinte. Er tastete über den zerwühlten Schnee. Überdeutlich sah er die winzigen Eiskristalle. All seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt. Er schmeckte den auffrischenden Nordwind auf den Lippen und die Vielzahl von Düften, die um den Monolithen wogten.
"Das ist nicht gerecht!" Er schlug mit den Fäusten in den Schnee. Frost biss ihm in die Knöchel. "Sie sollte doch einen neuen Arm bekommen. Was habt ihr für grausame Götter! Warum haben sie das Mädchen in Vahan Calyd überleben lassen? Warum musste sie so viele Schmerzen erdulden, nur um dann hier, an diesem Ort, an den ihre Hoffnungen und Träume sie gebracht haben, zu sterben? Das ist nicht gerecht!"
"Luc, sie ist nicht tot. Nicht so, wie du es verstehst."
"Hör auf mit deinen elfischen Spitzfindigkeiten! Sie ist aus dem Leben gegangen. Oder irre ich mich da vielleicht?"
Der Elfenritter blieb ihm eine Antwort schuldig.
"Du hättest mir sagen müssen, dass dies geschehen kann. Dann wäre ich niemals mit ihr hierhergekommen."
"Es war ihr Schicksal, diesen Ort aufzusuchen. Oder vielleicht war es auch ihr Schicksal, dir zu begegnen. Mit dir eine Reise zu machen und ihr Lachen wiederzufinden. Oder einfach nur die beiden Worte Liuvar Alveredar zu dir zu sagen. Ausgerechnet zu dir, dessen Brüder ihre Eltern gemordet und sie verstümmelt haben. Sie ist in Frieden und Harmonie gegangen. Wir leben in Zeiten, in denen diese Gunst nur wenigen zu Teil wird."
"Erzähl mir nicht, dass das Ziel des Lebens der Tod ist, Elf!"
Ollowein ließ sich von seinem beleidigten und anklagenden Tonfall nicht aus der Ruhe bringen. "Sag mir, was das Ziel des Lebens ist, Menschensohn, wenn es nicht der Tod ist. Jedes Leben mündet in den Tod!"
"Sie war zu jung. Zu ..."
"Myrielle war jung. Doch ihr Leben war alt. Sie ist oft wiedergeboren worden. Ich bin mir sicher, dass sie erleichtert ist, ihre Erfüllung gefunden zu haben."
Luc sah in das alterlose Antlitz des Elfenritters. Vielleicht könnte er ihm ja glauben, wenn er nicht so traurige Augen hätte. Sie waren so fremd, die Elfen. So anders.

gefunden in Bernhard Hennen: Elfenritter - Das Fjordland, 2008.

24.12.2008

Eine Geschichte über die Ahnen einer Hexe

Wie du sicherlich bemerkt hast, bin ich eine Hexe (witch), die am Rande einer kleinen Stadt wohnt. Einen Steinwurf nur entfernt von einem Wald, ganz in der Nähe eines kleinen Sees an dem ein Bach entlang fließt. Nicht allzu weit entfernt sind die Überreste (Brunnen) unserer gemeinsamen Vorfahren zu finden und wenn ich über den Berg gehe, dann komme ich zu einem großen Steinmonument, dass viele Jahrhunderte den Druiden diente, ihre Kraft zu sammeln.

Weißt du eigentlich, wer unsere Vorfahren sind? Ich meine die, die aus Hallstadt kommend hier diese Lande bezaubert haben? Ja, ich meine die Völker, die man Kelten nennt und bis heute unsere Sitten und Gebräuche und auch unsere Begriffswelt geprägt haben. Leider haben wir nicht viele gute Überlieferungen, aber ein paar Dinge will ich dir verraten.

Vielleicht hast du schon mal den Begriff "Teutonen" gehört? Es stammt von dem keltischen Wort túath ab, was soviel wie Volk bedeutet. Auch die römische Bezeichnung für die rechtsrheinischen Länder "Germania" wird wohl von einem keltischen Stamm, den Germani abgeleitet.

Bei den Kelten spielt das Übernatürliche immer eine große Rolle - die Geister wohnen überall: in alten Bäumen, in geheimnisumwitterten Felsen, in Flüssen und Sümpfen. Alles unterliegt dem Einfluss der Götter. Sie beherrschen die Welt der Natur, von der der Mensch ein Teil war. Der uralte Glaube an eine große Göttin ist immer noch in unserer Welt zu finden. Nebenbei stammt auch mein Hexenkessel aus dieser Welt: Es ist eine Reminiszenz an Dagdas unerschöpflicher Kessel, dessen Inhalt Erleuchtung, Verjüngung und Heilung bewirkt.

Die Kelten hatten auch einen großen Kalender und viele wichtige Ereignisse sind in ähnlicher Form bis heute erhalten: das Beltine-Fest am ersten Mai sowie das Fest der Samain-Nacht, an dem man den Anfang der dunklen Jahreszeit feiert. Es ist das Fest der Wiedergeburt. Brauch ist es, dass man etwas von dem verschenkt, was man im Jahr zuvor erhalten hat. Ich muss wohl nicht noch erwähnen, dass die Druiden Misteln hierfür sammelten (natürlich von starken Eichen). Und das es im wahrsten Sinne ein Fest der Liebe ist. Ähnlichkeiten zum Baumfest im zweiten Drittel des Dezember sind ersichtlich. Nebenbei bemerkt, auch mein Rabe hat einen Namen einer keltischen Gottheit: Abraxas.

Was ich dir nun mit auf den Weg geben möchte, ist, beachte die kleinen Dinge, die wir von unseren Vorfahren geerbt haben: Nicht nur die Sprache zum Begreifen der Welt, sondern auch die tiefen Achtung zur Natur, die unserer Seele speist und uns erhält.

Hexe Hexenlehre Kelten Germanen Seele

21.12.2008

Moderator 2.0

Immer wieder schaue ich mir gerne Web/Blog-Sites oder Community-Sites an. Auf die ersten Eindrücke kommt es meist an: Sind sie verödet (man hat das Gefühl, dass sich da keiner mehr drum kümmert) oder nur müde (nur 2 Einträge im letzten Monat) oder haben sie Feuer. Nur bei letzteren hat man Lust und Spaß weiterzulesen.

Ich beobachte zunehmend, wie man das Web 2.0 zum Thema im Unterricht macht, um Web 2.0-Kompetenz* zu erzeugen. [*der Begriff wird hier nur als Erkennungsmarker für spezielle Zielgruppen verwendet] Mit einem Browser, mit Google, mit Wikis sollen sie umgehen lernen und auch selbst aktiv ihren Input einbringen können. Vielleicht nicht unbedingt technisch versiert (Programmieren), aber mit dem Werkzeugen halbwegs souverän umgehen lernen sollen sie schon. Und auch das Internet in seiner mannigfaltigen Wirkung erfahren und was es zur Informations- und Kommunikationskultur beitragen kann. Leider wird selten operationalisiert, was die Unterrichtsteilnehmer ganz genau alles können sollen. Vielleicht auch deshalb, weil sich so viel ändert und man als Unterrichtsgestalter auch mittendrin in der Erkenntnisgewinnung steckt.

Web 2.0-Kompetenz soll alles beeinflussen, auch und vor allem die Informationsdistribution und das DENKEN und VERARBEITEN von Informationen an sich. Neue Metaphern müssen herhalten zur Sinnstiftung. Manchmal halt nur bis zur Pausenklingel, denn eigentlich wird doch immer versucht, das unfassbar Neue (per Definition sich selbst regulierend und nicht durch Kategorien beschreibbar) in hierarchischen Wiki-Gliederungen und Büchern abzubilden, wo doch eigentlich nur das Erlebnis zum Begreifen führt: "Du musst dich schon eine Weile mit Twitter abgeben, bevor du verstehst, was es für dich bedeuten kann." Eigentlich müsste man Tanzkurse zum Einüben anbieten, statt darüber zu schreiben. Und das ist schon die ganze Wahrheit: Fast alle Protagonisten üben sich durch eigene Web-Beiträge, sei es in Blogs, in Community-Plattformen oder über andere Kanäle des social webs. Aber nicht immer ist das wirklich erfolgreich: Das "Was bringt es mir?" wird ja nicht an den Absichtserklärungen "hey, wir sind eine Community, wir haben uns gefunden, juchu" gemessen, sondern in seiner Langzeitwirkung an dem Nutzen. Dass das zur Verfügung stellen einer Plattform ohne treibende Inhalte/Content nicht wirklich ausreicht, ist doch auch schon allgemeines Erfahrungsgut geworden, das kennen wir seit dem Aussterben der unterschiedlichen Such- und Findeportale. Also zurück zur Frage: "Was bringt mir das?"

Die Argumente sind schnell zusammengezählt: Wir lernen Gleichgesinnte kennen. Wir können (!) miteinander kommunizieren und können die Hoffnung haben, dass uns jemand liest. Wir können darüber hinaus, (meist kostenlos) Materialien/Informationen/Veranstaltungstermine zur Verfügung stellen und auch im Bedarfsfall nach Hilfe schreien. Also das "Schwarze Brett" als Metapher - oder? Da hab ich noch was vergessen, man kann sich gegenseitig verlinken und auf die anderen (eigenen) Seiten verweisen ...

Spannend? Puuuuh! Manchmal erwischt man in einem Thread einen post oder comment, auf den heftigst reagiert wird ... ja da fetzt sich was oder ist lustig oder es wird was als gemeinsamen Werk entwickelt. Meist ist eine Kontroverse der Startpunkt für das Drama. Kennen wir doch irgendwo her? Ja aus der Literatur, aus dem Schreiben eines Drehbuchs ... Wie bringen denn Autoren den drive bzw. flow in die Geschichte? Durch Dramaturgie! Durch geschickt besetzte Rollen, durch Dialog-Regie, durch das Entwickeln von Höhepunkten usw. usw.

Auf einer Web/Blog/Community-Site sind wir die Regisseure als Moderatoren, Agitatoren, Hebammen und ich weiß nicht was noch. Wir bieten ein gutes Theater für unser Publikum, bitten auf die Bühne, suchen Anknüpfungspunkte und beziehen ein. Das kann nicht nur Spaß machen, sondern auch Faszination des Zuschauers auslösen. Wir wollen aber mehr. Einbeziehung des Publikums, und nicht nur für eine Vorführung. Das geht nur, in dem wir Mehrwerte bieten, die etwas Besonderes sind. Zum Beispiel Antworten auf längst oder noch nicht gestellte Fragen. Oder auf gerade gestellte Fragen in einem Blog.

Wie muss man so etwas strategisch anlegen? Wie führt man eine Community? Wie moderiert man Beiträge? Wie baut man Spannung ein? Wie integriert man sein Publikum und macht Akteure daraus? Viele weitere Fragen schließen sich an. Klar - dazu gibt es auch Literatur und Anleitungen. Und im Grunde muss man das nur umsetzten. Aber alles funktioniert wirklich nur, wenn auch die Motivation und der Mehrwert sich lohnen. Am dankbarsten sind immer die Helfer/Hilfesuchenden-Konstruktionen, wo durch den Rat der Leidensdruck vermindert wird. Also muss am Anfang aller Dinge die Forschung nach dem Leidensdruck erfolgen und der Rat gut und teuer (exklusiv) sein, dann wird die Bindung entstehen. Und es darf keine einmalige Sache werden, entweder muss der Druck immer wiederkehrend sein ("Jo-Jo-Effekt") oder die Vermittlung des Ratschlags muss pädagogisiert werden ("vom Anfänger zum Experten").

Zur Konstruktion von Wirklichkeit 2.0 gehört Anleitung. Lernziel: "Moderator 2.0". Dazu würde ich gerne viel mehr lesen. Und mehr action sehen wollen.

20.12.2008

Web 2.0 - Mensch 2.0 - Avatar 2.0

Im wirklichen Leben (real life = RL) spielen Menschen in verschiedenen Situationen unterschiedliche Rollen. Soziologen, Psychologen, Pädagogen usw. beschäftigen sich damit, versuchen das Warum und Wieso und die Bedeutung für die Identität eines Menschen zu ergründen bzw. zu nutzen. Wer kennt nicht den Begriff des Rollenspiels? Sogar das Einüben neuer oder anderer Verhaltensweisen und Einstellungen wird darüber vorgenommen. Theater, Kino, Schauspieler, Politiker, Berufsgruppen usw. assoziiert man mit diesem Phänomen. Wer nicht aus der Rolle fällt, der ist berechenbar, authentisch, angenehm, vorzeigbar. Wir wissen alle was wir davon haben, wenn wir unsere Rollen gut spielen und wenn jemand es nicht so gut beherrscht, der fällt schon ein wenig auf. Rollenkonformität!

Manchmal stehen uns die vorgegebenen Rollen im Weg. Wir brauchen viel Kraft und Aufwand, um aus der Rolle auszubrechen, oder über ihr zu stehen. Manchmal braucht es sogar professionelle Hilfen dabei: Er steht sich selbst im Weg. Wenn er doch nicht so förmlich wäre. Kann sie nicht über ihren Schatten springen. Sie wird durch ihre Doppelrolle hin- und hergerissen. Er kann die Rollenerwartung nicht erfüllen ... oder er füllt seine Rolle nicht aus. Mehr Schein als Sein. - Nimm doch mal eine andere Perspektive ein. Lass dich doch nicht immer von deiner Rollenerwartung treiben. Schau doch mal hinter die Fassade. Er spielt seine Rolle perfekt, aber im wahren Leben ist er nicht so.

Auch das kennen wir, das Leid, welches sich hinter der Rolle verbirgt, weil uns die Rolle nicht auf den Leib geschnitten ist oder wir andere Bedürfnisse haben, die uns durch die Rollen nicht möglich sind zu befriedigen. Das Vorurteile mit einer Rolle verbunden sind, ist auch für jeden klar: Immer diese "Bürokraten" usw.

Rollenspiel im Web 2.0

Natürlich spielen wir auch eine Rolle im Web 2.0. Wie viel vom RL hineinfließt, ist eine Frage der Darstellung, welche Rolle des RL wir im Web 2.0 spielen wollen/können. Bekannte werden manchmal auf Veränderungen stoßen und sagen: "Ah, das hab ich ja von ihm/ihr noch gar nicht gewusst" oder "Oh im Internet ist sie/er ja ganz anders". Bei neuen Begegnungen/Bekanntschaften spielt das vorerfahrene RL keine Rolle und daher werden sofort alle Antennen ausgefahren und die personality abgeklopft nach bekannten Mustern (Schubladen), um den Anderen/Fremden einzuschätzen (schönen Wort): Schätzwert feststellen oder einen Schatz für sich gewinnen oder abschätzen, wie billig komme ich ans relationship [investment for social contact] heran bzw. steht er/sie auf der selben Statusstufe [Ranking für hoch- oder runterschauen oder sogar manchmal auf gleicher Augenhöhe betrachten]. Da muss man etwas von sich preisgeben bzw. über spezielle Kommunikationscodes Signale setzen: Wortwahl, passendes Bildchen, Satzbau, Kommunikationspräsenz, Themenwahl, Beziehungsmanagement per Beipflichtung oder Abwertung oder Kritik oder Verteilung von Komplimenten usw. usw, Auswahl der Kommunikationspartnerschaften usw.

Nach einer Weile verfestigt sich das Bild und auch die Erwartungshaltungen (z. B. nach 2000 Beiträgen) im Web 2.0 und sind ähnlich stabil wie im RL. Manchmal hat man sogar mehr Glück als im RL: das ausgeformte Rollenensemble trägt sich besser und man wird vielleicht durch das Versteckenkönnen des ein oder anderen Handikaps (Äußerlichkeiten, Sprachfehler usw.) nicht in gleicherweise behindert wie im RL (hic!). Manche empfinden auch mit der Möglichkeit des prinzipiell einfacheren Rollen-Selbstmords im Web 2.0 (ich mach mir eine neue Identität, die alte lösch ich) durch das damit verbundene Provisorische der Rolle eine Erleichterung.

A Star is born

Wie macht man sich oder jemanden populär. Viele TV-Sendungen zeigen die Grundmuster der Sternchen-Werdung auf:

1] hab eine glaubhafte passende Legende (Schicksal meinte es gut oder schlecht mit einem usw.)
2] zeige eine besondere Leistung (nicht arrogant, überheblich, sondern zeig Einsatz, Leistung, die Unsicherheit darüber, ob du dazu gehörst, zeig Glauben an den Erfolg, zeig Aufsteigermentalität: vom Looser zum gemachten & verehrten Sieger)
3] habe eine Bühne (du brauchst Publikum, dass dich wahrnimmt und dich lieben kann)
4] habe eine Initiation (durch eine Jury oder eine Instanz, der du dich stellen kannst, die dich stellvertretend prüft)
5] habe glaubwürdige Fürsprecher (Promotoren, die in ihrer Reaktion auf dich das Publikum überraschen - wer kennt nicht diese Heulsuse: 'Du bist ein Star ...' oder der Hardliner: 'ich hab soviel Scheiße gesehen, da fällst du echt auf ...')
6] habe immer den Glanz der Dankbarkeit für deine Fans in deinen Augen und falle dabei nicht aus deiner Rolle (ach wie viele Sternchen haben sich durch negative Presse wieder als Sternschnuppe auf dem Boden wiedergefunden)
7] wenn du ein Star geworden bist, dann verhalte dich wie einer (keine Angst vor der neuen Rolle, es ist eh alles nur eine Show)

Wir können hier also Muster für eine erfolgreiche Star-Karriere im Web 2.0 ableiten. Ob wir wollen oder nicht, so oder fast so funktioniert es zur Zeit. Mag sein, dass es noch andere Weg gibt ...

Avatar 2.0

Im Wiki kann man sich über den Avatar erkundigen. Was ist er im Zusammenhang mit dem Web 2.0 bzw. als Alternative zum Mensch 2.0? Er kann Rollen austesten! Er kann als Anonymous auftreten! Er kann unerwartete Rollenerwartungen auslösen bzw. sich vorschnellen entziehen.

Ein Avatar zeigt, dass er nur spielt und nimmt daher einen fiktiven Charakter ein. Da er auch fiktive aber dennoch bekannte Rollenverstellungen einnehmen kann (der Frosch und die Prinzessin) kann er mit Metaphern und Allegorien spielen und konfrontieren und weil er eine bewusste Kunstfigur ist, dies auch tun ohne direkt zu verletzten. Es ist die Nähe zur litararischen Figur bzw. der Rolle des Narren, Dinge auf eine direkte Art anzusprechen, die jenseits der normalen Rollenkonformität liegen. Es ist aber auch immer das Geheimnis, wer steckt dahinter, dass für eine ambivalente Kommunikationsstruktur sorgt: Wer zum Narren spricht, der darf auch Dinge sagen, die man sonst nicht sagt.

Solche Situationen werden in alles sozialen Strukturen als Ventil verwendet und dienen der Psychohygiene. Ein beliebtes Beispiel zeigt den Kern: In Japan darf man einer Äußerung eines offensichtlich total Betrunkenen keine Bedeutung beimessen. Das ist ein Codex. In nüchternem Zustand verbietet sich jegliche Kritik an einer im social ranking höher geltenden Person. Was macht also ein japanischer Cheffe? Er lädt seine "Mitarbeiter" (lies: Untergebenen) am Nachmittag in eine Bar zum Beispiel in der Kabukichō ein und füllt sie mit Hochprozentigen ab. Nach einer Schamfrist (alle Beteiligten kennen ja das Spiel) beginnen die Ersten sich über allgemeine Themen des Büroalltags fotzelnd zu unterhalten. Es ist common sense, dass der männliche Japaner nicht viel Alkohol verträgt (das ist eine Konvention, kein Fakt und dient der Kostenkontrolle *gg*) und daher muss man auch nicht lange warten, bis die erste Kritik am Cheffe vorgebracht wird. Er darf dazu nichts sagen, kann sich aber fragend alles genau schildern lassen. Das Spiel geht solange weiter, bis jeder etwas Kritisches zum Cheffe vorgetragen hat und der Frust sozusagen raus ist. Dann verabschiedet sich der erste oder die ersten beiden und innerhalb kürzester Zeit sitzt der Cheffe allein in der Bar. Und jetzt kommt das Spannende. Natürlich ist keiner der Beteiligten wirklich betrunken. Aber 5 Meter vor dem Etablissement fallen sie im tadellosem Anzug mit Aktenköfferchen zu Boden, als wären sie sturzbesoffen. Keinen der Passanten kümmert das. Nach weiteren 10 Minuten verlässt der Cheffe das Lokal und geht schwankend (!) in eine anderen (!) Richtung von dannen. Weitere 5 Minuten später ist die Schamzeit abgelaufen und die am Boden liegenden Gestalten stehen auf als wäre nichts gewesen und gehen nach Hause (bloß nicht in die Richtung, die der Cheffe eingeschlagen hat). Sollte einmal das Maleur passieren, dass sich aus Unachtsamkeit beide begegnen, wird so getan, als würde man sich nicht kennen.

Also alles Theater? Ja, aber mit einer wichtigen Funktion in einer Gesellschaft, die extrem von Rollenkonformität geprägt ist. Und was hat das mit dem Avatar 2.0 zu tun? Er/Sie lotet das Spiel aus und ist möglicherweise ein Analogon zum Mensch 2.0.

19.12.2008

Ich twittere, also bin ich - Teil 4

Wenn ich nicht twittere, bin ich dann nicht? Bin ich? Bin ich nicht? [Matrix 2]

Wie macht man jemanden klar, dass er fürs 'richtige' Twittern Follower braucht und auch followen sollte? Wem sollte er folgen? Wer sollte folgen? Klar gibt es Tools, die einem verraten, welche Gefolgschaften sinnvoll und erfolgsversprechend sind. Und es gibt auch Hinweise, dass wenn man jemanden folgt, er/sie (aus welchen Gründen auch immer) zurückfolgt. Natürlich gibt es auch das aktive Suchen nach Stichworten oder das Sich-bekannt-machen per Reply. Irgendwie bleibt immer was hängen im Netz. Erinnert mich an einen Messe-Verkaufstrainer mit seiner Schleppnetz-Masche.

Aber mal Hand aufs Herz. Wenn man sich so manchen Twitterer bzw. Twittererin (es sieht ja fast so aus, als gäbe es eine 50-50-Verteilung - weiß da jemand was Genaueres?) ansieht, mit Hunderten von Verfolgern oder Verfolgungen, das kann schon deprimieren. Was da eine Zeit und Motivation zu gehört, um das zu erreichen. Und die meisten Twitter-Friends tweeten ja nicht nur, sondern bloogen, facebooken, foren und haben was weißt ich für viele social contacts an allerlei Stellen. Manche Twitterer haben sich dem Thema sogar professionell angenommen und schildern wie wild, wie die Web-Personality gepflegt sein muss, damit man auch ja dazu gehört. Also das ist schon ein Menge und so ganz nebenbei geht das nicht.

Kannst dir vorstellen, wie das auf jemand Neuem wirkt. Erschlagend. Frustrierend. Und es gibt auch keine "Selbsthilfegruppe" oder ähnliches zum Eingewöhnen. Das ich nicht ganz alleine mit dieser Meinung bin, kann man in diversen Foren nachlesen: "Wie erreiche ich den Mensch 1.0?" wird da sinngemäß gefragt. Und als durchaus richtige Analyse folgt dann, dass man ja erst im Tun nach einer Weile den Sinn erkennen kann, den Durchbruch im Verstehen finden kann. Wenn er denn wirklich kommt und nicht vorzeitig abgebrochen wird. Schlenker: Die Gamer haben das oft geschickt durch ihre Probe/Erst-Instanz im Griff. Da kannst sehen, ob dir das Spiel gefällt und wirst auch nicht durch High-Level-Chars irritiert. Man ist halbwegs unter sich und kann tagelang erkunden, was den Reiz des Spiels ausmacht. Klar ist nicht alles so glatt, denn auch da wird geworben und mit Gildengeschenken um sich geworfen. Aber die Welt bleibt überschaubar - und das ist für den Anfänger wichtig!

Anderes Feld.

Wie kann man wirklich noch den Überblick behalten, wenn einem 200 oder mehr Leute folgen? Wenn es die Metapher "Großraumbüro" wirklich gibt, dann frag ich mich, ob ich je die Namen aller Leute und deren Wesen (Funktion, Stelle, Bild usw. ) je merken könnte. Geschweige denn mir irgendwas Spezifisches dazu merken. Ja wenn ich den lieben langen Tag immer mit Ihnen zu tun hätte, dann würde es was werden, aber bei 500 oder ganr 2000 - nee, nie im Leben. Was macht also den Reiz aus, möglichst viele Tweeds zu konsumieren? Oder verfolgt man die dann gar nicht mehr? Dann bräuchte man sich ja auch nicht in Gefolgschaft zu üben. Oder ist das nur ein Gradmesser für irgendein Popularitäts-Ranking? Oder glaubt jemand ernsthaft, die Leute würde auf den Pups warten, den man gelegentlich von sich gibt? Irgendwas stört mich an diesem Verlangen nach Vielen. Es ist nicht echt und nicht wirklich. Wenn ich meine Kommunikationsverhältnisse anschaue (jaja, auch Visitenkarten werden von mir mindestens einmal im Jahr durch sortiert), dann sehe ich Bilder von Begegnungen und Gesprächen vor mir und kann etwas damit verbinden. Aber das ist garantiert nicht das Großraumbüro-Geschwätz (um dieses Bild noch einmal zu bedienen).

Um eine Abbildung meines Kommunikationsvermögens herzustellen, darf es erstens nicht zuviel technischen Aufwand geben (technisch in dem Sinne, dass ich nicht an 1000 Stellen in irgendeiner Form meine Präsenz zeigen möchte und nun nicht noch selbst für die wechselseitigen Bezüge sorgen muss, die ich dann nicht ohne Aufwand dynamisch steuern kann) und ich muss die Möglichkeit haben, verschiedenen Ebene/Kanäle für mich zu definieren, die den unterschiedlichen Beziehungen auch entsprechen. Ich habe nun mal keine persönliche Beziehung zum Spiegel oder der FAZ und möchte zwar mit Informationen bei Bedarf versorgt werden (wie Google news aggregation), aber nicht immerzu damit beworfen/betwittert werden. Wer will sich das antun? Das gleiche gilt für viele andere Beiträge von Leuten, die ich manchmal verfolgen möchte, manchmal nicht und manchmal einfach nur als Verdichtung haben möchte. Ich habe das alles schon einmal erlebt mit der Einführung von E-Mails in Unternehmen. Auch da haben sich die Leute gegenseitig auf Verteiler gesetzt und zugespammt. Irgendwann kann dann die Erleuchtung, dass man nicht mehr alles mailt ... naja beim größten Teil *gg*.

Meine Vorstellungen werden bestimmt auch noch in Twitter irgendwann erfüllt werden. Solange ist es aber nur ein Spaß für ein paar hunderttausend (???) Ambitionierte*, aber kein Modell für alle. Und der Langzeit-Spaß ist noch nicht wirklich erwiesen, es ist ja erst die Avangarde dabei.
*) ich meine damit nicht die bei Twitter angemeldet sind, sondern die tatsächlich twittern.

Also bin ich auch, wenn ich nicht twittere? Oder nicht?

17.12.2008

Ich twittere, also bin ich - Teil 3

In dem folgenden Link sind einige Szenarien und Definitionen enthalten, die die Twitterei betreffen. Mit Prologue schafft man möglicherweise die Brücke zwischen Twitter, Blog und Chat.

Web 2.0

Es ist schon erstaunlich, was Menschen mit Begriffen verbinden. Web 2.0 ist ein solcher Begriff. Er dient als Worthülse für eine neue Qualität des Internets, des Webs (auch hier ist so manches in der Begrifflichkeit durcheinander geraten - aber das heb ich mir für ein anderes Mal auf).

Also Web 2.0 ist als Synonym für die veränderte Autorenschaft und Interaktivität im Web geprägt worden. Damit das auch vom Volk genutzt wird, braucht es 'leichte' Formen des Schreibens im Web (AJAX). Also her mit aufpolierten Webseiten, die sich wie eine Windows-Anwendung benutzen lassen. Dies ist deswegen common sense, weils im Wikipedia so steht *gg*. Ich lass auch mal die Bewertungen weg, ob man nicht auch schon vor der Prägung dieses Begriffs das nicht genauso gemacht/gedacht hat per Chat, Foren und auf vielen privaten Webseiten. Sei es drum, Fakt ist, dass nun Millionen von Möchtegern-Autoren auf den Weg sind, 'ihr' Web zu machen und das mit aller Macht und Kraft.

Da werden alle Register der Vorteile einer grenzenlosen und direkte Kommunikation gezogen und evangelisiert. Weil man endlich das Gefühl hat, Mann/Frau redet mit ganzen der Welt ... und diese interessiert sich (auch einen Dreck) dafür. Jeder soll erreicht werden und auch beglückt, so versprechen es uns die Promotoren. Was spricht gegen diese Fiktion? Eigentlich nichts, wenn es nicht so verrückt wäre zu glauben, dass alles andere so bleiben könnte, nur angereichert mit ein wenig Web 2.0.

Anachronismen.

Es findet eine (herkömmliche) Konferenz zum Thema Web 2.0 statt. Web 2.0 ist in aller Konsequenz die Abschaffung von herkömmlichen Konferenzen.

Es gibt Bücher zum Thema Web 2.0, welches sich an Web 2.0 Benutzer wendet. Bücher sollen wegen ihrer Statik ja gerade durch Web 2.0 ersetzt werden.

Web 2.0 im Klassenzimmer. Das Klassenzimmer wird durch Web 2.0 abgeschafft, weil es keine Begrenzungen mehr durch Raum und Zeit gibt.

...

BEDENKE: Das Internet wurde erfunden, damit der Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern schneller, einfacher und direkter erfolgen konnte, ohne den Umweg über Kongresse, Bücher, Zeitschriftenartikel. Ohne Rücksicht auf Raum und Zeit sollten die Gedanken ausgetauscht und verknüpft werden können. Das ist der Motor aller Web-Anwendungen!

BEDENKE AUCH: Durch die Veröffentlichung von Informationen/Wissen, wird Informationen/Wissen beliebig. Manche halten sich daher bedeckt oder zurück oder geben falsches Wissen weiter. Nur wer Informationen/Wissen besitzt und dessen Einsatz steuert, verfügt über Informationen/Wissen (im Sinne von "regelt den Zugang zu Informationen/Wissen"). Die Freude über die technischen Möglichkeiten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass alles seinen Preis hat. Irgendwann wird dieser fällig und eingefordert.

LESE: Kritik an Wikipedia

16.12.2008

Bloggen - Twittern - Replien

Wildfremde Menschen sind es zuerst. Dann liest man sich ein und sie werden vertrauter. Im Kopf passieren Vergleiche, ob denn das was da steht auch so gesehen wird. Manchmal möchte mal laut schreien, weil man auf etwas gestoßen ist, das genau das ausdrückt, was man auch denkt oder überhaupt nicht denken mag. Manchmal antwortet man dem Schreiber bzw. der Schreiberin und bestätigt oder konfrontiert die Gedanken.

Für wen wird das alles nur geschrieben? Schreiben ist immer auch ein Dialog mit sich. Vielleicht weil man beim Sprechen zu schnell, zu voreilig ist, um den Dingen das rechte/richtige Wort zu verleihen. Das ist beim Schreiben anders. Da kann man noch einmal darüberschauen. Oft lösche ich ganze Absätze oder sogar alles, weil es mir auf einmal nicht mehr so bedeutsam erscheint. Aber diese Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn man sich entäußert/leer geschrieben hat.

Bilder entstehen vom Anderen. Man fühlt mit und versteht, warum manches so und genau dann und auch nicht gesagt wurde. Gefühle, die trügen können, weil geschriebene Worte natürlich Blendwerk sein können. Aber wenn das Bild in sich stimmt, dann wird es bedeutsam und zutraulich. Zwischen den Zeilen quellen dann Botschaften hervor, mit denen man nicht gerechnet hat: Berührungen der Seele. Verstehen entsteht. Begreifen des Anderen vollzieht sich. Aus der Flüchtigkeit wird Nähe.

Was gewinnt man dazu, was kann verletzten? Will man eingefangen werden und sich einbringen? Kann aus dem einseitigen Verständnis wechselseitiges werden? Wird der Andere zu vergleichbarer Nähe fähig sein? Aus Neugier heraus wagt man sich vor und kann sehr schnell zu weit gehen. Verstecken? Wo hinter? Ach sind Fassenden schön! Die vermeintliche Unverbindlichkeit ist trügerisch. Oder darf man das alles nicht? Braucht man schon bei Zeiten ein dickes Fell und wahrt den Abstand?

Wie einfach fällt es,
mit wenigen freundlichen Worten,
die selten ausgetauscht werden,
verborgenen Türen zu öffnen.
Die Kommunikation ist direkt
und die Formen sehr locker.
Wir sind ja alles
erfahrene Blogger.

Die Entfernung ist weit
die Gedanken direkt
es sind ja nur Worte
man ist nicht verletzbar.

Antworte ich oder lass ich es bleiben
die Enttäuschung und den Schaden vermeiden.

Die kleinen Pandora-Kistchen der Netzwerk-Kommunikation sind schnell geöffnet. Wir müssen sehr sehr vorsichtig mit den Worten in Blogs, Tweeds und Replies umgehen, weil die Augen als Spiegel der Seele fehlen. Wie sagte eine alte Spiele-Freundin einmal: Es tut sau weh beim ersten Mal, beim zweiten Mal willst nicht mehr, jetzt spiele ich nur noch meine Rolle, tob mich dabei aus und lasse keinen mehr an mich heran. Seelenschmerz gibt es auch in virtuellen Welten.

15.12.2008

Ich twittere, also bin ich - Teil 2

Mir ist aufgefallen, dass Twitterer unterschiedliche Aufmerksamkeitsstrategien zeigen. Der Urform der Tweed-Anmache: "What are you doing?" wird von manchen in Reinkultur gefolgt und sie beschreiben ihre gerade begonnen Tätigkeit oder ihre Tätigkeitsabsicht, wo sie sich dazu befinden, was sie gerade erleben. Manche beschreiben, wie sie sich gerade fühlen, welchen Gedanken sie gerade haben. Es ist ein wenig Selbstdarstellung und Preisgabe von Privatheit ... aber das ist ja auch und gerade beim Smalltalk wichtig.

Davon verschieden sind Aufforderungen, Fragen, oder Grüße an andere Twitterer. Es sind diejenigen, die einen Dialog suchen. Manchmal mag das weitergehende Motive haben, manchmal mag das aus Langeweile entstehen.

Wie viel von allem ist echt und authentisch? Kann man mit Twittern die Einsamkeit vertreiben? Die Chance erhalten, in der weiten Welt gleich Gesinnte oder gleich Interessierte oder gleich fühlende Andere zu finden? Oder zumindest hoffen? Kann man dabei so sein wie man ist, oder muss man sich hierbei in seiner Persönlichkeit besch(n)eiden, damit die anderen einem folgen können? So wie im alltäglichen Kommunikationsrollenspiel?

Manche Twitter-Anleitungen geben Empfehlungen für erfolgreiches Twittern. Aber was ist denn der Erfolg, wenn ich aus meiner Kommunikations-Einsamkeit mittels Twitter ausbrechen möchte? Einen Zuhörer zu finden, der versteht, was ich zu sagen habe? Oder einen Zuhörer, der mir zuhört, damit ich gehört werde?

Ich werde gehört, also habe ich etwas zu sagen ... also bin ich ... am Anfang war das Wort ...

Ich twittere, also bin ich - Teil 1

Was macht jemand, der twittert, aber niemand liest es? Wer liest überhaupt meine Tweeds? Wieso kann man sich das nicht anzeigen lassen? Kann man sich darauf verlassen, dass jemand ein entsprechendes Frontend hat, das beliebige Tweeds anzeigt? Wird man ausreichend wahrgenommen, wenn man keine "Follower" hat? Ist die Anzahl der "Follower" ein Indikator für das Wahrgenommen werden? Oder kann man sich nur auf die tatsächlichen "Replies" sicher verlassen (siehe mal hier)? Wenn ja, wieso gibt es kein vernünftiges Reply-Management, bei dem man die Dialoge verfolgen kann oder Abwesendheitsinfos automatisch versenden kann oder Threads aufzeichnen kann? Jeder Chat kennt sowas.

Kann ich überhaupt (noch) meine "Follower" kennen lernen, wenn sich deren Anzahl über ein gewissen Größenordnung von vielleicht 200 bewegt? Müsste nicht eine abgestufte Vertraulichkeit meiner Replies, meiner Tweeds möglich sein, die den üblichen und auch schaffbaren Kommunikationsverhältnissen angemessen sind?

Viele Twitterer sind dialogisch orientiert und haben einen inner-cycle von vielleicht 10 bis 30 Kommunikationspartnern - zumindest ist das meine Wahrnehmung. Diese Kreis ändert sich hinsichtlich der Zusammensetzung vielleicht etwas schneller als üblich. Mit wem man einmal einen Dialog hatte, aber nicht ständig in einem steht, mag einem dialog-cycle zugehörig sein. Die Zuhörerschaft per "Follow" dem outer-cycle; diejenigen Tweeds, die dann noch per Stichwort zu finden wären, würde sich noch weiter entfernt eingeordnet wiederfinden.

Twitter hat noch viel in dieser Hinsicht zu entwickeln. Im Moment ist es noch vorzivilisatorisch: 'Trommeln im Busch schlagen' oder 'anschreien'. Die leisen Töne der Kommunikation werden noch nicht wirklich unterstützt. Ganz zu schweigen von dem zwischen den Zeilen lesen ...

12.12.2008

Foto-Freundin

Twitter-Freundin aus NJ hat ein neues Avatar-Foto. Um es genauer anzuschauen, bin ich auf die Twitter-Home-Page gegangen und sehe per Zufall ihre Flickr-Adresse. Was liegt näher als sie zu besuchen.

Viele Fotos. Spannende Fotos. Ich lerne wieder jemanden von einer ganz anderen Seite kennen. Kann man jemanden überhaupt per Chat & Foto-Blog kennenlernen? Fühlen, was der andere fühlt? Sehen, was der andere sieht? Oder stimmt die manchmal gehörte Bemerkung: "Du kennst mich doch gar nicht" , obwohl man sich eine Zeit lang gelesen hat?

Wieviel und was gehört dazu, jemanden zu kennen? Manchmal sind diese einfachen Fragen schwierig.

Grenzen

Ist euch das auch schon passiert? Ich fühle Grenzen. Wenn ich in einer virtuellen Welt bin - ich spiele Everquest II - und einen Char in einer bestimmten Start-Lokation spiele, entwickle ich Heimatgefühle. Besuche ich die Lokation mit einem 'fremden' Char, dann bin ich dort mit dem Gefühl im Bauch 'zu Besuch' zu sein. Auch wirken manche Zonen heimisch und ich habe Lieblingsplätze, wo ich mich gerne aufhalte.

Von anderen Spielern habe ich schon gehört, dass sie in bestimmte Handwerksräume gehen, auch wenn sie in anderen Stadtteilen wohnen. Schon eigenartig. Obwohl sich die Handwerksräume visuell überhaupt nicht unterscheiden.

Manchmal erlebe ich auch in der realen Welt das Gefühl, in der 'Fremde' zu sein und manchmal sind mir Städte, Viertel, Straßen und auch Landschaften sofort vertraut, auch wenn ich sie das erste Mal durchstreife. Auch wenn ich (Länder-)Grenzen per Auto überschreite, habe ich immer eine Zeit lang das Gefühl, eine Grenze passiert zu haben, selbst wenn diese durch unsere vereintes Deutschland/Europa nicht mehr wirklich sichtbar sind. Das Gefühl dauert manchmal nur ein paar Minuten an, manchmal ist es erst wieder vorbei, wenn ich 'nach Hause' komme.

09.12.2008

Die zehn unantastbaren Rechte des Lesers ...

Wollte gerade schon die Zeitschrift PÄDAGOGIK vom Juni 2007 entsorgen, da blättere ich sie noch einmal zum Abschied durch und finde auf Seite 9 die zehn unanstastbaren Rechte des Lesers. So spannend, dass ich gleich einmal über den Autor dieser google und wikipediae. Fundstellen ohne Ende! Schööön. Aber zunächst einmal die zehn Rechte des Lesers:
  1. Das Recht, nicht zu lesen
  2. Das Recht, Seiten zu überspringen
  3. Das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen
  4. Das Recht, noch einmal zu lesen
  5. Das Recht, irgendwas zu lesen
  6. Das Recht auf Bovarysmus (die buchstäblich übertragbare Krankheit, den Roman als Leben zu sehen
  7. Das Recht, überall zu lesen
  8. Das Recht, herumzuschmöckern
  9. Das Recht, laut zu lesen
  10. Das Recht, zu schweigen
Klar fehlen da noch ganz viele weitere Rechte ... zum Beispiel das Recht, zwei Bücher gleichzeitig zu lesen oder das Recht als Leser dem Autor seine Meinung kundzutun oder das Recht, das Buch zu zerreißen (in allen Bedeutungen des Sinns) oder das Recht, aus dem Buch etwas zu zitieren (auch etwas falsch zu zitieren) oder das Recht, das Buch nicht zu verstehen oder das Recht, das Buch anderen weiter zu verschenken oder das Recht, etwas in das Buch hineinzuschreiben, das wiederum von anderen gelesen werden kann ...
So viele Rechte gibt es, aber es gibt auch Dinge, die man nicht darf, weil einem das Recht dafür fehlt. Zum Beispiel darf man das, was man liest, nicht laut für andere lesen. Laut in der Form, dass man es aufzeichnet, ins Internet stellt usw., so dass ganz viele andere das Gelesene mitbekommen. Das ist ausschließlich das Recht des Urhebers. Auch darf man das Gelesenen nicht aufschreiben oder übersetzen oder wieder als Buch verfassen oder vielleicht ein wenig anders darstellen. Naja wenn man sich geschickt anstellt, dann darf man das doch, aber eben nicht immer und manchmal schon gar nicht, weil die Figuren oder das Konzept oder so etwas als Marke geschützt sind. Oder weil sich andere als Hüter der richtigen Interpretation oder der Jugend oder des Glaubens verstehen ...
Eigentlich darf man als Leser gar nicht wirklich so viel - außer lesen und darüber schweigen. Und manchmal darf man auch etwas nicht lesen, weil es verboten ist. Hmmm, je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr Zweifel kommen einen, ob das mit den Lese-Rechten so einfach ist.
Ach ja, wer war denn nun der Autor dieser Lese-Rechte? Daniel Pennac!

Twitter: a common world chat-channel

Ohne mir was dabei zu denken, hab ich im Blog von Christian gefragt, worin sich seiner Meinung nach Twitter von einem Chat-Channel unterscheidet. Die darauf folgende Diskussion brachte mehr oder weniger zu Tage, dass es sehr unterschiedliche Meinungen dazu gibt.
Die Funktion des Twittern als wechselseitiges Wahrnehmen scheint latent auch bei denen wirksam zu sein, die sich durch Tweeds lediglich in Pose (und ihren Blog und sonstige Web gestützte Beiträge) werfen. Der Unterschied der Wahrnehmung liegt wohl eher darin begründet, wie viel Zuspruch sie sich durch andere Kommunikationsmittel verschaffen können.
Und ich bleibe dabei. Für jene, die wenig befriedigenden Sozialkontakt haben und sich durch die Faszination der Web-Kommunikation (schnell, zum Teil unverbindlicher, 24-Stunden-Präsenz usw.) endlich mitteilen können, übernimmt Twitter vorwiegend die Funktion des World-Channels eines Chats: Ich bin, also twittere ich, also kann mich jemand wahrnehmen.
Twitter ermöglicht aber auch alle anderen Funktionen eines Chats: Gruppenbildung (durch Follower und Following), den öffentlichen Dialog und den direkten Dialog. Es gelten auch die gleichen Kommunikationsregeln: Wer nicht zu mir gehört (oder zuhört), den kann ich ausschließen. Wer mir nicht antwortet, den ignoriere ich (Ignore-List).
Ich glaube auch, dass emotionalen Tiefschläge möglich sind. Wer mit Twitter nicht zurecht kommt, greift auch sofort zum Gegenangriff per Skeptizismus: "Hab ich ja gleich gewusst, dass Twitter nicht wirklich was für mich ist ..."
 
(c) 2008 by 至 Itari