09.01.2009

w 26 blond 176 68 C Studentin

Wenn du ingame eine(n) Mitspieler(in) findest und eine Zeit lang mit ihm/ihr unterwegs bist, dann stellst dir irgendwann die Frage, mit wem haste es eigentlich zu tun. Du fragst und erhältst dann ein Profil: weiblich, 26 Jahre, Studentin usw. Ah, denkst dann: nett!!! Nach dem 5. Mitspieler/ der 5. Mitspielerin mit gleicher Beschreibung fragst dich dann, spielen eigentlich keine anderen Leute hier im Game?

Machen wir einmal die Probe:

1] 45, männlich, arbeitssuchend, irgendwo im Thüringer Wald ...
2] 19, weiblich, Auszubildende Einzelhandelskauffrau, Bodensee, wohnt bei ihren Eltern ...
3] 16, männlich, Schüler, irgendwo in Österreich ...
4] 22, weiblich, Hausfrau, verheiratet, 2 Kinder (1 & 3), Sauerland ...
5] 32, männlich, Leiter eines Servicecenters, Hamburg, ledig, 195, 85, freut sich auf Karribikurlaub ...
6] 55, weiblich, Sekretärin, verheiratet, Ehemann ist Pilot, Vordertaunus, 168, 78 ...
7] 68, weiblich, Rentnerin, verwitwet, lebt in einem Heim ...
8] 31, weiblich, medizinisch-technische Assistentin, verheiratet, 1 Kind (10), 178, 72, Nürnberg, Tel ....
9] 39, männlich, Hochschule, ledig, Köln, 186, 126 ...
10] 26, weiblich, Studentin, blond, 176, 68, C, Job in einer Werbeagentur ...

Na was gefällt uns? Und warum? Und wenn es immer die gleiche Person wäre, was dann?

Geschlecht: weiblich. Ist akzeptabel für weibliche und männliche Mitspieler.

Alter: 26 ist ein "gutes" Alter ... kleiner wäre im RL ok, aber im Game nicht (Kiddi-Effekt) - wenn über 30 ist, stellt sich dir Frage, warum macht er/sie das? Keine Familie? Kein fester/feste Partner/Partnerin? Oder ein Partner, der auch spielt? Man beginnt über Gründe nachzudenken ...

Beruf/Ausbildung: Was bedeutet das Spiel? Harmloser Zeitvertreib? Sucht? Mangelnde Gelegenheiten im realen Leben? Passt er/sie im Niveau zu mir? Ist zwar alles im Game unerheblich und unbedeutend, wird aber reflektiert - oder etwa nicht?

Haarfarbe: ist wirklich nur ein unbedeutendes Attribut, spielt trotzdem eine riesige Rolle ...

Körpergröße: Körperlänge, Körpergewicht und der daraus zu errechnende BMI. Das ist ein wichtiger Indikator zur Validierung der Spiel-Motivation. Und er spielt für die verschiedenen Fantasien ähnlich der Haarfarbe eine nicht unbedeutenden Rolle. Die äußerliche Einschätzung ist für die zwischenmenschliche Beziehungen das erste Kriterium; folglich ist dem auch im Spiel eine sehr hohe unbewusste Bedeutung beizumessen. Beweis: Zu diesem Thema wird bis zum Foto so viel wie möglich kaschiert. Die Körbchengröße kann gelegentlich eine zusätzliche Attraktion sein. Ist aber nicht (!) abhängig vom Geschlecht des Beurteilers.

Wohnort, soziale Ausstattung: Dient der zusätzlichen Validierung der Spielmotivation ähnlich wie der Beruf/Ausbildung.

Es gibt noch weitere diffizilere Merkmale, die ich hier aber einfach mal überspringe.

Da die Spielerfigur mehr oder weniger durch die Rahmenbedingungen des Games vorgegeben sind (manche Spiele sind da sehr fantasiereich und hübsch), kann man nicht wirklich viel über den realen Spielepartner aus der Charakterausformung ableiten. Die Wahl des Charakters ist eher der gefühlsmäßigen Disposition des Spielers/der Spielerin zuzuordnen und ... erst wenn ein Spieler/eine Spielerin das Game zum Rollenspiel im engeren Sinne einsetzt, werden Attribute erst wichtig. Also bleiben Sprachstil und Kommunikationsformen der erste Anhaltspunkt, um etwas über das Gegenüber zu erfahren. Und natürlich die direkte Befragung: Wer bist du denn im realen Leben?

Dass hier nicht unbedingt die Wahrheit ans Tageslicht kommt, ist klar. Wenn eine Spielpartnerschaft durch Merkmale der realen Welt "gefährdet" werden würde, wird immer ein Ausweg gefunden: eine Kreation einer realen Person mit Merkmalen, die für einen (selbst vorgestellten) Vorteil bringen. Bei weibliche Mitspieler ist das sehr viel häufiger der Fall als bei männlichen. Erstens weil sie auch in der Realität über viel mehr Übung zur Anhebung ihrer Attraktivität verfügen (und auch schon in ihrer Jugend damit anfangen) und zweitens, weil sie in einer scheinbar oder tatsächlich von Männern dominierten Spielewelt ihre Chancen verbessern möchten. Ich habe da schon sehr viel Verbissenheit beobachtet, die darin mündete, den Männern es mal zu zeigen, was man als Frau drauf hat ... und es ist ja auch so: Frauen sind die besseren Spieler.

Last not least möchte ich noch anführen, dass mir einmal eine ältere Mitspielerin (älter als 60 Jahre) erzählt hat, dass sie von den Jüngeren gemobbt wurde, nachdem sie ihr Alter offenbart hatte. Sie hat das Game verlassen und in einem anderen neu begonnen. Das soll nur auf die Diskriminierung hinweisen, die auch im Spiel latent vorhanden ist und dass die Lüge über die eigenen Person auch legitimerweise ein Schutz darstellt.

Kurve zum Twittern und nicht-wissenschaftliches Ende des Diskurses: Ist das im Twitter ähnlich mit den Vorurteilen? Oder ganz anders? *gg*

Hexe, *1498, schwarz, 158, 49, hat Vampirblut in den Adern, wohnt im letzten Häuschen vor dem Wald, hat Umgang mit Waldelfen und Bachfeen, bekommt gelegentlich Besuch von Rentieren und einem alten Mann mit langen weißen Bart und rotem Wams, kennt viele Kräuterbonbonrezepte und kennt sich mit den Menschen und ihren Maschinen recht gut aus ...

w, 26, blond, 176, 68, C, Studentin ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
(c) 2008 by 至 Itari