12.02.2009

Nähkästchen (Teil 3)

Die Wände füllen sich mit Flip-Charts zu den verschiedenen Themen: Drucker, Bildschirm, Spracheinstellungen der Tastatur. Wie funktioniert eigentlich ein Programm? Datenbereich, Code-Segment, Stack, virtuelles Memory, Page-Faults, Auslagerungsdatei. Wie kann man einstellen, ändern, nachschauen, messen ... Fragen werden gestellt, gegoogelt und immer wieder nachgeschlagen im Wiki oder im Buch. Zusammenfassungen in Form von Mind-Maps entstehen. Ganz im Sinne von Visual Facilitating & Graphic Recording – das bedeutet mit Grafik, Text und Bildern die Kommunikation in Gruppen zu erleichtern. Alle stellen Fragen, alle sind engagiert. Es bilden sich spontan Zweiergruppen, die auf meine Rückfragen Einstellungen an ihrem PC ausprobieren oder im Web Details recherchieren.

Zeit für den ersten Fragebogen.Ich kündige ihn als einen Test an. Erschrecken. Wie? Tests werden hier geschrieben? Ja, klar! Aber es sind ganz besondere Tests. Man darf alle Hilfsmittel, wie Internet, Buch, eigene Skripte verwenden, inklusive der Möglichkeit, vom Nachbarn abzuschreiben. Ah so. Und Abgeben braucht man den Test auch nicht. Der erste Test ist ein Multiple-Choice-Test. Beispiel-Fragen:

1. Welche Bauteile befinden sich auf der Hauptplatine eines PCs?  Mikroprozessor | Festplatte | Bussystem | BIOS
2. Welche Aufgaben hat das RAM? versorgt den Prozessor mit Daten | flüchtiges Zwischenspeichern von Daten | ersetzt eine Festplatte | löscht überflüssige Daten
3. Was bedeutet der rote Streifen auf einem Flachbandkabel? kennzeichnet eine Festplattenkabel | kennzeichnet ein High-Speed-Kabel ("Rallystreifen") | kennzeichnet Pin-1 | kennzeichnet Pin-50

Wie der geneigte Leser sofort sieht (*gg*), sind die Fragen bei genauem Durchdenken nicht eindeutig zu beantworten. Ist das BIOS nicht eher ein Programm und gar kein Bauteil oder ist der Chip da hinten nicht der Sitz des BIOS? Kann ein RAM nicht auch eine Festplatte simulieren (RAM-Disk)? Und ist das Teil mit dem roten Streifen nicht meist ein Festplattenkabel und zugleich eine Pin-Kennzeichnung?

Die Auswertung der Fragen wird von den Teilnehmern selbst durchgeführt. Es geht der Reihe nach Frage für Frage und jeder berichtet und begründet seine Antworten. Dann wird diskutiert, ob man die Frage nicht auch anders hätte beantworten können ... manchmal muss man ein wenig nachhelfen. Niemand hat das Gefühl getestet worden zu sein.Das Gefühl ist eher wie beim Quiz - man will verstehen, was denn nun richtig ist und was unrichtig. Und man muss seinen Standpunkt vertreten. Oft ist der erste Schluss nicht ganz durchdacht und die Fragen gewinnen an Tiefe. Das ist ja auch der Sinn der Übung: Sich selbst sicherer im Verständnis und in der Kenntnis zu machen. Nicht immer sind es todernste Antwortvorgaben; nicht immer sind es Multiple-Choice-Fragen.

Wenn die Gruppe gut ist, dann dürfen die Teilnehmer ab dem 3. Fragebogen sich selbst Fragen und dazugehörige Antworten ausdenken. Entweder finden sich Zweier-Gruppen oder jeder macht 2 Fragen selbstständig. Die Fragen werden von mir eingesammelt und als Text ausgedruckt und dann wird verteilt. Bei der Auswertung dürfen die Fragesteller moderieren. Fast immer sind die Fragen niveauvoll (reflektieren den durchgenommenen Stoff) und fair. Mittlerweile habe ich einen beachtlichen Fragen-Fundus. Wenn das Fragebogen-Spiel eingeübt ist (in den weiterführenden Kursen sowieso), gibt es Zeitvorgaben beim Ausfüllen. Auch wenn manchmal eine Frage nicht beantwortet wird, empfinden die Teilnehmer keinen Stress, sondern freuen sich auf diese Art der Wiederholung und Vertiefung, denn fast immer findet eine klärende und vertiefende Diskussion statt.

Praxis, Praxis, Praxis. Die zweite Form der Teilnehmertestung sind die Fehler-Such-Workshops. Die Gesamtgruppe wird geteilt. Der eine Teil verlässt den Raum. Die andere Gruppe baut einen Fehler, ein Problem in einen Testrechner ein und wählt einen aus ihrer Mitte, welcher den "hilfesuchenden User" spielt. Dann wird die zweite Gruppe instruiert, wer Gruppenführer spielt und den Dialog mit dem User führt. Dann treffen beide Gruppe wieder zusammen und der Dialog einer Support-Situation wird eingeleitet. Natürlich werden die Rollen überzeichnet gespielt und fast immer wird alles mit einem Schmunzeln von dem Rest kommentiert. Je nach Aufgabenstellung wird mehr Wert auf das Lösen des Fehlerfalls, auf die Kommunikationssituation oder auf das methodische Vorgehen bei der Diagnose gelegt. Die Lösung dauert zwischen 10 und 60 Minuten je Fall. Wenn sich keine Lösung abzeichnet, werden schon rechtzeitig Hinweise gegeben. Anschließen wird eine Auswertungsrunde durchgeführt, wo alle ihre Gefühle schildern und die Lösungssuche und die dabei aufgetretenen Schwierigkeiten angesprochen werden.  Fast immer wird irgend etwas Neues angesprochen, fast immer gibt es humorvolle Situationen. Die Begeisterung für diese Rollenspiele ist sehr hoch. Selbst nach den Kursen wird im Kollegenkreis darüber berichtet und es gibt gelegentlich Teilnehmer, die sich nur aus diesem Grunde zu den Fortbildungen anmelden obwohl sie es gar nicht müssten. Da der Schwierigkeitsgrad beliebig skalierbar ist, sind "alte Hasen" wie "Frischlinge" bedienbar. Falls die Motivation mal nicht ganz so ausgeprägt ist oder die vorgeschlagenen Probleme unrealistisch werden, greife ich natürlich mit Vorschlägen ein. In den fortgeschritteneren Modulen werden auch kommunikative Problemsituationen gespielt. Es ist hierbei immer wieder erstaunlich, wie realitätsnah trotz Übertreibung doch die Rollen gespielt werden. Selbstverständlich findet alles auf freiwilliger Basis statt; wer nicht mag, darf auch nur als Zuschauer mitwirken oder gesellt sich nur zu der Gruppe, die jeweils die Problem einbaut. Hab ich vergessen zu erwähnen, dass die Gruppen sich immer abwechseln mit der Rollenverteilung? Und habe ich auch vergessen zu sagen, dass es oft schwieriger ist, sich ein Problem auszudenken als eines zu lösen? Na gut, dann muss das wohl auch mal gesagt werden.

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