21.12.2008

Moderator 2.0

Immer wieder schaue ich mir gerne Web/Blog-Sites oder Community-Sites an. Auf die ersten Eindrücke kommt es meist an: Sind sie verödet (man hat das Gefühl, dass sich da keiner mehr drum kümmert) oder nur müde (nur 2 Einträge im letzten Monat) oder haben sie Feuer. Nur bei letzteren hat man Lust und Spaß weiterzulesen.

Ich beobachte zunehmend, wie man das Web 2.0 zum Thema im Unterricht macht, um Web 2.0-Kompetenz* zu erzeugen. [*der Begriff wird hier nur als Erkennungsmarker für spezielle Zielgruppen verwendet] Mit einem Browser, mit Google, mit Wikis sollen sie umgehen lernen und auch selbst aktiv ihren Input einbringen können. Vielleicht nicht unbedingt technisch versiert (Programmieren), aber mit dem Werkzeugen halbwegs souverän umgehen lernen sollen sie schon. Und auch das Internet in seiner mannigfaltigen Wirkung erfahren und was es zur Informations- und Kommunikationskultur beitragen kann. Leider wird selten operationalisiert, was die Unterrichtsteilnehmer ganz genau alles können sollen. Vielleicht auch deshalb, weil sich so viel ändert und man als Unterrichtsgestalter auch mittendrin in der Erkenntnisgewinnung steckt.

Web 2.0-Kompetenz soll alles beeinflussen, auch und vor allem die Informationsdistribution und das DENKEN und VERARBEITEN von Informationen an sich. Neue Metaphern müssen herhalten zur Sinnstiftung. Manchmal halt nur bis zur Pausenklingel, denn eigentlich wird doch immer versucht, das unfassbar Neue (per Definition sich selbst regulierend und nicht durch Kategorien beschreibbar) in hierarchischen Wiki-Gliederungen und Büchern abzubilden, wo doch eigentlich nur das Erlebnis zum Begreifen führt: "Du musst dich schon eine Weile mit Twitter abgeben, bevor du verstehst, was es für dich bedeuten kann." Eigentlich müsste man Tanzkurse zum Einüben anbieten, statt darüber zu schreiben. Und das ist schon die ganze Wahrheit: Fast alle Protagonisten üben sich durch eigene Web-Beiträge, sei es in Blogs, in Community-Plattformen oder über andere Kanäle des social webs. Aber nicht immer ist das wirklich erfolgreich: Das "Was bringt es mir?" wird ja nicht an den Absichtserklärungen "hey, wir sind eine Community, wir haben uns gefunden, juchu" gemessen, sondern in seiner Langzeitwirkung an dem Nutzen. Dass das zur Verfügung stellen einer Plattform ohne treibende Inhalte/Content nicht wirklich ausreicht, ist doch auch schon allgemeines Erfahrungsgut geworden, das kennen wir seit dem Aussterben der unterschiedlichen Such- und Findeportale. Also zurück zur Frage: "Was bringt mir das?"

Die Argumente sind schnell zusammengezählt: Wir lernen Gleichgesinnte kennen. Wir können (!) miteinander kommunizieren und können die Hoffnung haben, dass uns jemand liest. Wir können darüber hinaus, (meist kostenlos) Materialien/Informationen/Veranstaltungstermine zur Verfügung stellen und auch im Bedarfsfall nach Hilfe schreien. Also das "Schwarze Brett" als Metapher - oder? Da hab ich noch was vergessen, man kann sich gegenseitig verlinken und auf die anderen (eigenen) Seiten verweisen ...

Spannend? Puuuuh! Manchmal erwischt man in einem Thread einen post oder comment, auf den heftigst reagiert wird ... ja da fetzt sich was oder ist lustig oder es wird was als gemeinsamen Werk entwickelt. Meist ist eine Kontroverse der Startpunkt für das Drama. Kennen wir doch irgendwo her? Ja aus der Literatur, aus dem Schreiben eines Drehbuchs ... Wie bringen denn Autoren den drive bzw. flow in die Geschichte? Durch Dramaturgie! Durch geschickt besetzte Rollen, durch Dialog-Regie, durch das Entwickeln von Höhepunkten usw. usw.

Auf einer Web/Blog/Community-Site sind wir die Regisseure als Moderatoren, Agitatoren, Hebammen und ich weiß nicht was noch. Wir bieten ein gutes Theater für unser Publikum, bitten auf die Bühne, suchen Anknüpfungspunkte und beziehen ein. Das kann nicht nur Spaß machen, sondern auch Faszination des Zuschauers auslösen. Wir wollen aber mehr. Einbeziehung des Publikums, und nicht nur für eine Vorführung. Das geht nur, in dem wir Mehrwerte bieten, die etwas Besonderes sind. Zum Beispiel Antworten auf längst oder noch nicht gestellte Fragen. Oder auf gerade gestellte Fragen in einem Blog.

Wie muss man so etwas strategisch anlegen? Wie führt man eine Community? Wie moderiert man Beiträge? Wie baut man Spannung ein? Wie integriert man sein Publikum und macht Akteure daraus? Viele weitere Fragen schließen sich an. Klar - dazu gibt es auch Literatur und Anleitungen. Und im Grunde muss man das nur umsetzten. Aber alles funktioniert wirklich nur, wenn auch die Motivation und der Mehrwert sich lohnen. Am dankbarsten sind immer die Helfer/Hilfesuchenden-Konstruktionen, wo durch den Rat der Leidensdruck vermindert wird. Also muss am Anfang aller Dinge die Forschung nach dem Leidensdruck erfolgen und der Rat gut und teuer (exklusiv) sein, dann wird die Bindung entstehen. Und es darf keine einmalige Sache werden, entweder muss der Druck immer wiederkehrend sein ("Jo-Jo-Effekt") oder die Vermittlung des Ratschlags muss pädagogisiert werden ("vom Anfänger zum Experten").

Zur Konstruktion von Wirklichkeit 2.0 gehört Anleitung. Lernziel: "Moderator 2.0". Dazu würde ich gerne viel mehr lesen. Und mehr action sehen wollen.

1 Kommentar:

  1. Moderator2.0 sagt doch schon sehr viel darüber aus, welche Kompetenz als Basis des ganzen 2.0 Dschungels gebraucht wird.
    Meiner Ansicht nach brauchen wir zunächst eine entsprechende Kommunikationskompetenz, als Basisvoraussetzung für den Einsatz von Web2.0 in Schulen (oder anderswo).
    Das Gute: Kommunikation zu verstehen und entsprechend anzuwenden, ist etwas fürs Leben ;-))
    Das bringt nicht nur Lehrer und Schüler weiter, sondern kann auch gesamtgesellschaftlich etwas bewegen...

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