24.01.2010

Big Brother-Live-Blogs und die Rechtschreibung

Big Brother ist nun in der 10. Staffel anzuschauen. Big Brother polarisiert: Inhaltlich und konzeptionell. Am liebsten gefällt mir die Aussage: Keiner schaut es sich an, aber alle reden darüber.

Für alle Sozial- und Geisteswissenschaftler ist es natürlich ein innerer Vorbeimarsch: 23 Stunden lang pro Tag kann man empirisch beobachten, wie Mensch sich in einer Gruppe vermeintlich echt oder unecht, gesteuert durch Regisseure und Hintermänner und -frauen für ein spezielles Publikum verhält und unterhält bzw. nicht unterhält. Wobei es nicht wirklich wichtig ist, ob alles nur gespielt, gestellt, echt oder unecht ist. Es stellt sich ja auch nicht die Frage, ob das nur Unterhaltung oder auch mehr ist. Es ist einfach alles. Und weil es komplex und kompliziert ist, und man es als Beobachter auch nicht wirklich durchschauen kann, ist es schwierige Kost. Für alle. Weil jede Analyse auch immer ihr Scheitern enthält. Bei einem Theaterstück wird halt immer erstmal angenommen, dass es ein (Schau-)Spiel ist; ob die Akteure aber auch gerade davon abhängig sind, wird ja beim Zuschauer ausgeblendet. Oder die Frage: Ist ein Schauspieler nur dann ein Schauspieler, wenn das Schauspielen zum eigentlichen Sein geworden ist? Das Leben als Bühne oder die Bühne als Leben?

Bei Big Brother ist alles dabei und jeder, der meinst, es gehe ihn nichts an, drückt sich nur (feige?). Jeder, der meint, es ist ja nur Unterhaltung, vergisst, dass Unterhaltung zum homo ludens wie auch zum homo oeconomicus gehört. Nicht nur die Kunst 'Unterhaltung' zu machen, ist wichtig, auch die Kunst 'Unterhaltung' wahrzunehmen, zu genießen und sich ihrer zu öffnen ist wichtig. Schon seit dem Theater der Griechen (ich greife mal nicht weiter zurück), ist die Ambiguität des öffentlichen Spiels bekannt und als soziale Errungenschaft wichtig. Nicht nur das Schauspiel, sondern auch die Berührung durch das Schauspiel muss erlernt werden. Sehr schön wird das in 'Pretty Woman' gezeigt. Und vergessen wir nicht: auch die Zuschauer wollen gesehen werden und es gibt auch eine hohe Kunst des Theaterbesuchs, mit dem Smalltalk in den Pausen und Séparées, in die man schaut und in denen man gesehen werden will.

Heutzutage gibt es das alles auch und auch ein Knigge, wie man wo und wann was zu tun hat. Und Heutzutage wissen nicht nur die Stückeschreiber, sondern fast alle in der Gesellschaft, wie die Meta-Meta-Meta-Information über alles funktioniert und richtig ausgenutzt werden kann. Man lernt das ja in der Schule, dass ein Stück oder Film oder Filmchen wegen der Werbung gemacht wird *gg* und dass dabei auch noch unterschwellig Botschaften über alles und nichts (letztes ist wirklich interessant) verpackt werden können. Deswegen liebe ich Big Brother, weil dort jeder 'weiß' wie es gemeint ist, aber jeder über ein anderes Wissen verfügt (*das war gerade richtig schön ironisch ... muss ich ja mittlerweile immer dazu schreiben, weil das zwischen den Zeilen lesen, im Web etwas verloren gegangen ist*)

Komme wir aber zu dem eigentlich Neuen. Seit es die Big Brother Tagebücher mit Fotos, inhaltlichen Kurzdarstellungen, Wiedergaben der Dialoge und Kommentierungen in Echtzeit gibt (ist ein neues Genre), erleben wir eine zusätzliche Schleimschicht, die des aufzeichnenden Beobachters. Was wird wahrgenommen, was wird als wichtig eingeschätzt, wer macht Fotostrecken statt Dialoge schriftlich wieder zu geben - wie wird die Präsentation durch gleichzeitige Niederschriften von Beobachtern untereinander verarbeitet. Spannend. Wenn man auch noch bedenkt, dass diese Tagebücher Hunderttausende von Klicks erzeugen, ist das schon bombastisch. Wer mal einen Eindruck erhaschen möchte, hier ist der Link zu einem solchen Big Brother Tagebuch.

Lernt man eigentlich mittlerweile in der Schule, wie man solche Tagebücher führt? Wie man Beobachtungen notiert? Wie man kommentiert und sich mit anderen über unterschiedliche Wahrnehmungen austauscht? Erlebnisaufsatz in anderer Form? Während meiner Schulzeit wurde nur ansatzweise die Kunst des Protokollführens gelehrt. Weder in den naturwissenschaftlichen Fächern, noch im Sprachenunterricht (Deutsch, Englisch, usw.) war das wirklich ein Thema. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass irgendein Mathe-Lehrer die Kunst des Protokollierens einer Berechnung oder eines Beweises auch nur ansatzweise unterrichtet hat. Nur im Kunstunterricht mussten wir ernsthaft die Besuche der Kunstausstellungen protokollieren.

Später habe ich oft in Seminaren Manager darin unterrichtet, wie man Ergebninslisten-orientierte Protokolle schreibt, weil sie überhaupt keine Ahnung in der Protokollführung von Besprechungen haben. Aber das zeigt halt nur auf, dass wahrscheinlich eh keiner der Lehrer oder Professoren Ahnung über die Wichtigkeit von eher handwerklichen Dinge hat und so etwas auch nicht weitergeben kann.

Doch zurück zum Thema dieses Blogbeitrags: '... und die Rechtschreibung'. Wenn man solche Big Brother-Live-Blogs liest, dann erkennt man sehr hübsch, wo und welche Rechtschreibprobleme in der Schule ungelöst sind. Groß- und Kleinschreibung ist ein ganz wesentlicher Punkt. Auch die richtige Schreibung häufig verwendetet Anglizismen oder der Fremdwortschatz sind arg übungsbedürftig. Es ist auch klar, dass die Fehlleistungen voll auf die schlechte Unterrichtsqualität in den Schulen zurückgeht. Selbst in den besten deutschen Zeitungen oder Magazinen, welche sich im Web mit Beiträgen verbreitern, sind fast regelmäßig Rechtschreibfehler enthalten. Es ist wohl so, dass man des Deutschen nicht mehr mächtig ist. Und das es wohl auch nicht mehr so wichtig ist. Warum ist das eigentlich so?

P.S. Cora, wir lieben dich

P.P.S. Cora, gibt deinem Hauself Dobby die Socke [16.3.2010]

1 Kommentar:

  1. Die Grammatik dieses Blogs ist allerdings auch nicht so vorbildlich. Die Gedankengaenge sind aber interessant!

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