06.01.2010

Silberhorn

Ich bekenne gerne: Ich mag die Bücher von Wolfgang Holbein.

Bin gerade mit dem Titel 'Silberhorn' durch. Mal wieder spielt es in einem Internat; diesmal in einem ganz besonderen, exklusiven, aber etwas verzauberten Internat. Und jetzt kommen die pädagogischen Momente: Für jeden betuchten Schüler muss man einen weniger betuchten kostenlos aufnehmen. So der Gründervater des Internats. Das ist doch mal was Spannendes zur Bildungsreform - Patenschaften einmal ganz praktisch.

Auch sonst gibt Interessantes: die Schüler siezen die Lehrer während der Schulstunden; danach wird geduzt! 6 Stunden Unterricht, dann freie Beschäftigung, z. B. Reiten, weil das Internat ist auch ein Reiterhof. Oder Schwimmen. Oder einfach den Unterrichtsstoff nacharbeiten.

Bücher gibt es nicht; dafür einen eReader, der allen Lesestoff in sich abgespeichert hat. Hefte gibt es nicht; dafür hat jeder Schüler/jede Schülerin einen Tablet-PC. Das ist aktuell, weil just diesen Monat (Januar 2010) sich alle Hersteller überschlagen mit den Ankündigungen von eBooks/Tablets/iSlates. So stell ich mir das auch richtig vor, kann es noch was mit der PCisierung der Schule werden.

Ansonsten gibt es im Internat noch: Abgeschiedenheit bis zum Geht-Nicht-Mehr - das bringt Gruppendynamik vom Feinsten hervor. Und jedem Schüler sein persönliches Zimmer; die echte Chance zum Rückzug ins Private. Die Mensa wird zum Parlament a la Summerhill. Und dann gibt es noch das kollektive Tabu: Finger weg von den Bilder mit den Einhörnern. Super! Erinnerungen an die Genesis werden wach: Wie emanzipiert man den Menschen, damit er fähig wird zum Sündenfall (der Mensch gewinnt seine Selbsterkenntnis), man setzt ein strenges Tabu und hoff auf individuellen Ungehorsam. Ich liebe diese Pädagogik. Mein bester Klassenlehrer hatte das auch drauf: Er brachte die Klasse gegen sich auf und wir haben uns emanzipiert in der darauf folgenden Zeit ... Schülerrat, Schulstreik, Absetzung des Direktors ... ach was waren das herrliche Zeiten. Nie mehr ducken, nie mehr Angst vor Autoritäten. Ich bin ihm bis heute dankbar. - Ja es war auch ein Internat ...

Jetzt müssen wir nur noch das pädagogische Element für das 'schlichtenden Einhorn' (namens Silberhorn, um das es im Buch ja geht) finden. Welche Rolle spielt das Einhorn? Warum muss es sterben? Ich glaube, alle große und kleinen Pädagogen wie Rousseau und Makarenko hatten auch ihre Einhörner ... das Leben spielt hat so, dass man seinen Prinzipien nicht immer treu bleiben kann. Auch das ist eine weise und tiefe Einsicht: Nichts ist für die Ewigkeit und nichts ist immer wahr ...

Heute morgen gab es im TV einen Disput zwischen zwei befreundeten Intellektuellen (Harald Lesch und Thomas Schwartz) zu Thema: "Sind wir allein im Universum oder fühlen wir uns nur einsam im Kosmos?". Der Physiker spricht ein Szenario an: Wenn es im Weltall nur recht wenig Atome gibt und der Raum eigentlich eher 'leer' ist und es nur ganz selten dazu kommt, dass sich Atome zu größeren Molekülgruppen zusammenschließen und wiederum nur ganz selten daraus Leben entsteht ... und nur unter ganz ganz seltenen Umständen intellektuelles Leben entsteht, dann stellt sich die Frage, ob es irgendwo im Weltall wirklich noch einmal menschenähnliche Lebensformen gibt. Wenn wir annehmen, dass das fast auszuschließen ist, wir also 'alleine im Universum sind', dann ist menschliches Leben so einzigartig, dass man es wie ein rohes Ei behandeln müsste ... sind wir zu dieser Erkenntnis und Verantwortung fähig?

Ach ja, physikalisches Staunen und Neugier sind auch etwas Pädagogisches. Wenn man dies also noch ausleben will, hier kann man dazu etwas lesen, bevor man sich das eher märchenhafte 'Silberhorn' zu Gemüte führt.

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